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Ursula Nonnemacher spricht zur Aktuellen Stunde auf Antrag unserer Fraktion „Angebot an Berlin zur Übernahme von Geflüchteten durch das Land Brandenburg“

>> Zum Antrag unserer Fraktion „Angebot an Berlin zur Übernahme von Geflüchteten durch das Land Brandenburg“ (pdf-Datei)

>> Zum Entschließungsantrag unserer Fraktion „Geflüchteten aus den provisorischen Unterkünften des Landes Berlin eine Chance auf Integration in den Brandenburger Kreisen und kreisfreien Städten geben“ (pdf-Datei)

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Anrede!

Als ich Ende März gelesen habe, dass sich Brandenburg grundsätzlich bereit erklärt hat, dem Land Berlin bei der Unterbringung von geflüchteten Menschen zu helfen, habe ich gedacht: Endlich bewegt sich was! Beim genaueren Hinsehen komme ich dann aber leider wieder davon ab und hin zu der Aktualität unseres Themas und unseres Entschließungsantrags. Denn das, was die Landesregierung sich unter Hilfe vorstellt, sieht so aus: Geflüchtete aus Berlin sollen lediglich auf freien Erstaufnahmeplätzen des Landes untergebracht werden. Aber in der Erstaufnahme dürfen grundsätzlich nur Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten länger verbleiben. Es entsteht daher bei uns der Eindruck, dass von brandenburgischer Seite lediglich angeboten wurde, für Berlin als Hinterhof zur Abschiebung zu fungieren.

Diese negative Entwicklung wollen wir unbedingt verhindern. Es ist uns wichtig, dass die Landesregierung schon jetzt deutlich macht, dass wir auch geflüchtete Menschen aufnehmen, die gute Bleibeperspektiven haben und schnell eine Chance auf Integration in den Kommunen bekommen können.

Im Land Berlin leben fast 30 000 geflüchtete Menschen in Notunterkünften. Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Terror ihre Heimat verlassen mussten, müssen jetzt in den Flughafenhangars in Tempelhof oder in Räumen des ehemaligen Messe- und Kongressgebäudes ICC wohnen. Diese bieten vermutlich genauso wenig Privatsphäre wie die über 50 Turnhallen Berlins, die ebenfalls als Unterkünfte herhalten müssen. Das mit anzusehen, ist hart. Genauso hart ist es, die Vorkommnisse mit anzusehen, aufgrund derer das Berliner LAGeSo mittlerweile deutschlandweit zum Synonym für das Versagen eines Amtes bei der Bewältigung der ihm übertragenen Aufgaben geworden ist.

Sicherlich die meisten von uns haben fassungslos zugesehen, wenn in unserem Nachbarbundesland Erwachsene und Kinder hungrig und frierend über Stunden und Tage in der Schlange anstehen mussten, um sich als Geflüchtete registrieren zu lassen und Unterstützung zu erhalten.

Für uns Bündnisgrüne stellt sich angesichts dieser chaotischen Zustände im Land Berlin die Frage: Darf unsere Solidarität mit geflüchteten Menschen an der Landesgrenze aufhören? Beschränkt sich Humanität auf die Asylsuchenden, die in einem zufälligen Verfahren dem Land Brandenburg zugewiesen wurden? Wir finden, nein! Uns ist natürlich bewusst: Wir können die jahrelangen Versäumnisse der Berliner Landespolitik nicht von Brandenburg aus beheben. Aber das seit einem Jahr laufende Hin und Her in und zwischen der Landesregierung und dem Berliner Senat, ob und wie und warum überhaupt das Land Brandenburg seinen Nachbarn bei der Aufgabe der Flüchtlingsunterbringung unterstützen kann, finden wir unwürdig. Den Tiefpunkt bildet dabei die Äußerung des Ministers Schröter, es könne nicht sein, dass Susi Sorglos auf dem Tempelhofer Feld Drachen steigen ließe- und die Brandenburger sollten für die Berliner die Quote übernehmen. Solche Äußerungen lassen vergessen, dass wir hier über Menschen reden! Und während die Minister und Regierungschefs beider Länder auf diesem Niveau miteinander streiten, zeigen in Berlin und Brandenburg überwältigend viele Menschen Besonnenheit und Haltung, indem sie sich ehrenamtlich engagieren, um die Aufnahme und Versorgung der geflüchteten Menschen erträglich zu gestalten. Wir fordern an dieser Stelle von den politisch Verantwortlichen dieselbe Besonnenheit und Haltung!

Die Handlungsmöglichkeiten unseres Nachbarlandes bei der Unterbringung von Geflüchteten sind erschwert. Es ist doch vollkommen klar, dass in einem Stadtstaat weniger Raum zur Verfügung steht! Und schon seit geraumer Zeit gibt es für die wachsende Bevölkerung in Berlin zu wenige gute und preiswerte Wohnungen. Nach dem Königsteiner Schlüssel nimmt Berlin ohnehin deutlich mehr Geflüchtete auf als wir. Und viele Flüchtlinge, die zuerst in anderen Bundesländern lebten, zieht es relativ rasch nach Berlin. Denn eins muss man auch anerkennen: Berlin bietet in anderen Aspekten viel Unterstützung für Geflüchtete, und zwar auch für die, die in Brandenburg leben. Dazu zählen Dolmetscherdienstleistungen, fremdsprachliche medizinische und psycho-therapeutische Versorgungsangebote, Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen.

Wir wollen, dass unser Land jetzt die Initiative ergreift, und den geflüchteten Menschen in den Notunterkünften Berlins entsprechend unserer Ressourcen Chancen eröffnet. Wir fordern explizit nicht, dass nun alle oder ein Großteil der Berliner Geflüchteten von uns aufgenommen werden. Wir fordern auch ganz explizit, dass die Kosten für die Unterbringung und Versorgung der Berliner Geflüchteten auch vom Land Berlin vollumfänglich getragen werden müssen. Denn neben den humanitären Gründen wäre die Aufnahme von Asylsuchenden aus Berlin auch vernünftig. Bereits jetzt schlagen einige Landkreise Alarm, aber nicht aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen, sondern aufgrund der niedrigen!

Wer hätte das vor wenigen Monaten schon gedacht? Die Landrätin von Teltow-Fläming bezeichnet die ausbleibenden Flüchtlinge sogar als größtes Haushaltsrisiko ihres Kreises. Paradoxerweise spricht Ministerpräsident Woidke momentan von einer „entspannten Lage“. Landrätin und Ministerpräsident beziehen sich in ihren Einschätzungen aber beide auf dieselbe Sachlage: Zu uns kommen momentan deutlich weniger Asylsuchende. Und von den rund 40 000, die im letzten Jahr ankamen, sind nur etwas mehr als die Hälfte geblieben und leben jetzt in den Kreisen und kreisfreien Städten. Gerade die Kreise und kreisfreien Städte aber haben im vergangenen Jahr die Anzahl der akzeptablen Unterbringungsplätze für Menschen auf der Flucht umfangreich ausgebaut. Erfreulicherweise müssen deswegen immer weniger geflüchtete Menschen bei uns in Notunterkünften leben. Auch die von uns immer wieder kritisierten abgesenkten Unterbringungsstandards werden sukzessive wieder angehoben. Gut so, denn damit verbessert sich die Wohnsituation der Menschen spürbar. Wenn wir jetzt auch die Asylsuchenden aus Berlin aufnehmen, die eine gute Chance haben, längerfristig bleiben zu dürfen, erreichen wir gleich mehrere Ziele. Die geflüchteten Menschen können raus aus den unzulänglichen Notunterkünften Berlins. Sie können in den jetzt wieder über Kapazitäten verfügenden Gemeinschaftsunterkünften bei uns leben und die Angebote nutzen, die ihnen dort zur Integration gemacht werden. Ihre Kinder bekommen die Möglichkeit zum regulären Kita- und Schulbesuch. Die Kommunen können die neugeschaffenen Kapazitäten durch die Belegung refinanzieren und werden finanziell entlastet. Sie erhalten das Signal, dass sich der Ausbau der Unterbringungsplätze für sie gelohnt hat.

Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, konstruktive Verhandlungen mit Berlin aufzunehmen und sich auch auf allen anderen notwendigen Ebenen für eine Aufnahme von Berliner Geflüchteten im Land Brandenburg einzusetzen. Sie soll dabei besonders betonen, dass Geflüchtete vom Land Berlin unabhängig von den vermeintlichen Erfolgsaussichten ihres Asylverfahrens aufgenommen werden sollen, und nur entsprechend der freien Kapazitäten in den Unterkünften des Landes und der Kommunen. Die Landesregierung soll gemeinsam mit Berlin unverzüglich die Voraussetzungen für die Erstattung und Abrechnung der dem Land und den Kommunen entstehenden Kosten für die Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten schaffen. Wir wollen auch, dass die Landesregierung gleich zu Beginn deutlich macht: Wir respektieren die Anliegen und Wünsche von potentiell umziehenden Flüchtlingen. Wenn zum Beispiel Familienmitglieder bereits in Berlin leben, oder Geflüchtete bereits an Integrationsmaßnahmen in Berlin teilnehmen, ist die Integrationsperspektive im Land Brandenburg eher gering. Wir sagen, Integration braucht beiderseitigen Respekt und Chancen auf Teilhabe, von Anfang an.

>> Zum Entschließungsantrag unserer Fraktion „Geflüchteten aus den provisorischen Unterkünften des Landes Berlin eine Chance auf Integration in den Brandenburger Kreisen und kreisfreien Städten geben“ (pdf-Datei)

Unser Entschließungsantrag wurde abgelehnt.