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Marie Luise von Halem spricht zum Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und CDU „Bessere Bildungschancen für unsere Kinder – Personalschlüssel in Kitas sofort verbessern“

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Steter Tropfen höhlt den Stein, sagt der Volksmund. Was wir von CDU und Grüne hier vorlegen, ist keine neue Idee. Ja, das ist richtig. In der vergangenen Legislaturperiode haben wir sechsmal einen Stufenplan für mehr Qualität, verbunden mit Verbesserungen beim Betreuungsschlüssel, beantragt. Sechsmal hat die Koalition das abgelehnt. Es ist immer wieder interessant, mit welchen Argumenten, denn wir wissen alle, dass bei der Kita-Betreuung die entscheidende Stellschraube für mehr sozialen Ausgleich liegt. Das wissen wir alle, auch Sie von Rot-Rot.

Ziemlich genau ein Jahr lang hat uns die Kita-Kampagne der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege ihre Forderungen vorgetragen - erfolglos. Am 10. Dezember schrieb die LIGA-Vorsitzende an den Ministerpräsidenten Woidke, die Notwendigkeit zur personellen Entlastung im System Kindertagesbetreuung zum Wohle der Kinder und zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität sei enorm und dringlicher denn je. Die Personalsituation in den Kitas sei generell ungenügend, heißt es auch in den im Dezember erschienenen Empfehlungen des Runden Tisches Inklusion in der Kindertagesstätte.

Mit unserem Antrag, den wir jetzt stellen, backen wir nur kleine Brötchen. Wir wollen eine Annäherung an den Bundesdurchschnitt. Der liegt im Moment für den U3-Bereich bei 1,4 und für die Drei- bis Sechsjährigen bei 9,6. Das zu erreichen ist wahrlich kein Hexenwerk.

Jetzt möchte ich gerne etwas zum Thema „Sand in die Augen streuen“ sagen. Liebe Frau Koß, Sie haben hier - auch vorher habe ich das schon einmal aus Ihrem Mund gehört - erzählt, wir könnten den Betreuungsschlüssel nicht ab sofort verbessern, weil die Erzieherinnen gar nicht da seien. Gucken Sie doch mal in den Fachkräftebericht für den Bereich Kindertagesbetreuung! Darin steht deutlich, dass in den nächsten zwei Jahren 2 800 Absolventinnen und Absolventen der Brandenburger Fachschulen in Brandenburg zur Verfügung stehen.

Altersbedingt verlassen im gleichen Zeitraum nur 1 000 bis 1 200 Erzieherinnen diesen Bereich. Das heißt ganz deutlich - ich kann es Ihnen auch schriftlich zeigen -: Die Fachkräfte sind da. Ich verstehe nicht, warum Sie immer wieder behaupten, sie stünden nicht zur Verfügung.

(Beifall B90/GRÜNE und CDU)

Das zum Thema Sand in die Augen streuen.

Ein weiterer Punkt: Gerade habe ich mehrfach gehört, im Koalitionsvertrag sei festgelegt, im Jahr 2016 und 2017 solle der Betreuungsschlüssel verbessert werden. Aber das stimmt überhaupt nicht! Gucken Sie doch einmal hinein! Sie haben alle Smartphones, gucken Sie hinein! Im Koalitionsvertrag steht „ab 2016“ und „ab 2017“. Da steht nicht „in“, sondern da steht „ab“. Wenn Sie hier sagen, Sie machen das tatsächlich in den Jahren und schreiben aber etwas ganz anderes auf, dann frage ich mich, wer hier den Leuten Sand in die Augen streut.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

- Ab 2016.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

- Das heißt, es muss nicht „in“ heißen.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

- Gut.

(Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

- Sie machen es in diesen Jahren. Ab diesem Jahr wird es gelten.

Gut. Dann hoffe ich sehr, dass wir uns wenigstens darauf verlassen können. Über den Antrag hinaus dürfen wir nicht vergessen, dass es neben dem Betreuungsschlüssel noch weitere Anliegen gibt. Wir müssen weiter darüber nachdenken, wie wir Kita-Leitungen besser freistellen können. Wir brauchen ein verbindliches Qualitätsmonitoring.

Darf ich Ihnen in Erinnerung rufen: Nur etwa 10 % aller Kindertagesstätten im Bundesgebiet - von Brandenburg
wissen wir das nicht genau, aber im Bundesgebiet, das besagt die NUBBEK-Studie -, haben eine ausreichend gute pädagogische Qualität, 10 %! Wir müssen auch immer wieder darüber nachdenken, wie absurd es eigentlich ist, dass Kita-Erziehrinnen, die den wichtigsten Beitrag in der Bildungsbiografie eines Menschen leisten, von allen Pädagogen entlang des Lebensweges am schlechtesten bezahlt werden. Auch das ist absurd, und da machen wir große Fehler. Spätestens nach den Untersuchungen des Volkswirtes und Nobelpreisträgers James Heckman wissen wir, dass jeder in das System der frühkindlichen Bildung investierte Euro bis zu 14-fache Rendite für die Gesellschaft abwirft.

Wenn Sie mir jetzt wieder vorwerfen, ich würde von volkswirtschaftlichen Renditen reden, wo es um das Wohl von Kindern geht, muss ich Ihnen entgegnen: Genau das, was Sie machen, ist zynisch, denn Sie argumentieren, dass die Betreuungsquote so hoch sei und deshalb die Qualität nicht ausgebaut werden könne. Das habe ich auch heute hier wieder gehört. Dann reduzieren Sie wider besseres Wissen die Betreuungschancen von Kindern aus monetären Erwägungen. Das ist genauso, als würde man sagen: Tut uns schrecklich leid, wir haben so viele Krankenhäuser im Land Brandenburg, wir können einfach nicht die allgemeingültigen Standards anwenden, das geht bei uns nicht, wir müssen uns mit unterdurchschnittlichen Standards abfinden, leider. Das entspricht Ihrer Argumentation. Die Zahl der in Anspruch Nehmenden rechtfertigt für Sie die niedrigen Standards.

Steter Tropfen höhlt den Stein. Meine Zeit ist um, und wir kommen wieder.

(Beifall B90/GRÜNE und des fraktionslosen Abgeordneten Schulze)