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„Mobil im Quartier“: Die Niederlande als Vorbild

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Private Initiativen, städtische Ämter sowie Vereine kamen am Samstag auf den Goetheplatz, um über die Mobilität der Zukunft zu sprechen.
Private Initiativen, städtische Ämter sowie Vereine kamen am Samstag auf den Goetheplatz, um über die Mobilität der Zukunft zu sprechen. © Richter

Offenbach - „Mobil im Quartier“ lautete das Thema einer Messe mit Diskussionsrunde, wozu auf Betreiben der Offenbacher Grünen Initiativen und eine Expertenrunde eigene Beiträge lieferten. Von Harald H. Richter

Tenor der Veranstaltung auf dem Goetheplatz: Bis zur Verkehrswende ist es noch ein langer Weg. Noch immer legt die über Jahrzehnte gewachsene und auf motorisierten Privatverkehr ausgerichtete Raum- und Infrastruktur der autogerechten Stadt einer nachhaltigen Mobilitätsgestaltung Steine in den Weg. Ein Umstieg von mehr Berufstätigen auf öffentlichen Nahverkehr oder Fahrrad zur Fortbewegung bleibt auch in Offenbach oftmals in Ansätzen stecken, konstatierten die Teilnehmer an der Messe „Mobil im Quartier“. „Wir müssen größere Schritte hin zu intermodaler Verknüpfung tun, damit Nahmobilität unseren Bürgern wirklichen Nutzen bringt“, sagt Dr. Sybille Schumann, Stadtverordnete der Grünen. Mit Hessens Verkehrsminister und Parteifreund Tarek Al-Wazir sitzt sie am Samstagabend in einer von Birgit Simon moderierten Diskussionsrunde auf dem Podium, das in diesem Fall ein Sofa ist und auf dem Goetheplatz steht. An ihrer Seite Verkehrswissenschaftler Professor Heiner Monheim.

Über 80 Interessierte sind gekommen um bei einer Messe auf dem Platz mit mehreren Initiativen der Stadtgesellschaft Vorschläge zusammenzutragen und Defizite zu benennen. Der ADFC hat einen Stand aufgebaut, das Umweltamt ebenso wie der Radentscheid Frankfurt und der Seniorenrat. Dort erfragen Dieter Dänner, Gertrud Helduser und Ingrid Breitenbach die Bedürfnisse älterer Menschen zur Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum. „Wo fehlen Bänke und Toiletten, brauchen wir mehr Zebrastreifen und welche Behinderungen erschweren Senioren das Vorwärtskommen etwa durch zugeparkte Bürgersteige? Das sind einige Punkte eines Fragebogens, zu denen wir uns Antworten erhoffen“, sagt Breitenbach.

Über Fortbewegungsmittel der Zukunft haben sich Studenten der Hochschule für Gestaltung (HfG) Gedanken gemacht und diese in Prototypen gegossen. So stellt David Maurer die Entwicklung seines Lastenklapprads „Tioli“ vor. „Es verbindet die Vorteile des herkömmlichen Fahrrads mit denen eines Lastenrads“, sagt der 24-Jährige, der im achten Semester Design studiert. Vor einem Jahr hat er seine Idee eines Zukunftsrads entwickelt und konstruieren lassen, wenngleich dessen Straßentauglichkeit noch nicht attestiert ist. Herausgekommen ist ein Fortbewegungsmittel, das durch eine einfache und selbstsperrende Ein- und Ausklappbewegung entweder einen üblichen Radstand, hohe Wendigkeit und ein gewohntes Fahrgefühl vermittelt, oder die Möglichkeit eröffnet, Lasten zu transportieren.

Inzwischen ist Maurer mit Finanziers im Gespräch, die seine Idee unterstützen. Findet sich ein Hersteller, kann das Lastenklapprad produziert werden. „Auf Einzelbestellung“, betont der junge Mann. „Denn jedes wird nach den Bedürfnissen des Käufers hergestellt.“ Sybille Schumann signalisiert bereits Kaufinteresse, bevor sie mit Al-Wazir und Prof. Monheim das Thema Mobilität im Quartier vertiefend bespricht.

Dabei wird deutlich, dass eine „echte Verkehrswende“ noch immer nicht erreicht ist. „Wir haben Fortschritte erzielt“, konstatiert Al-Wazir, kritisiert aber auch, dass viele wünschenswerte Verbesserungen mit Bundesrecht nicht vereinbar seien. „Das ist bei noch keinem Bundesverkehrsminister angekommen.“ Wer weniger Autoverkehr wolle, dürfe keinen neuen Straßen bauen, sondern müsse Finanzmittel für Infrastrukturprojekte anders verwenden. Würden Investitionen mit größerem Angebot an vernünftigen Radabstellanlagen bei Bushaltestellen und Bahnhöfen verbunden, könne man mehr Menschen vom Auto aufs Rad bringen.

Derzeit würden bundesweit pro Tag 160 Millionen leere Autositze bewegt, rechnet Monheim vor – die durchschnittliche Besetzung in Autos liegt bei 1,1. „Gesicherte Radstationen wie in den Niederlanden sind hier viel zu selten“, bemängelt der Verkehrsexperte. Dort verschmälere man häufig breite Straßen und nutze den gewonnenen Platz zur Stärkung des Rad- und Fußgängerverkehrs. „Auf Autobahnen nutzen wir in Baustellen zwei Meter breite Fahrstreifen ohne Murren. Warum besteht man in Städten auf Fahrbahnen, die 3,50 Meter breit sind?“, gibt er den Zuhörern Nachdenkenswertes mit auf den Heimweg.

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