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Deutsche-Bank-Deal mit Berliner Unis Kauf Dir einen Prof

Berliner Unis ließen sich ein Institut von der Deutschen Bank bezahlen. In einem Geheimvertrag wurde den Bankern viel Mitsprache eingeräumt: bei Lehre, Forschung und Personal. Kritiker sprechen von gekaufter Wissenschaft.
HU Berlin: Ein Institut für die Deutsche Bank

HU Berlin: Ein Institut für die Deutsche Bank

Foto: Robert Schlesinger/ dpa

Wenn Unternehmen Hochschulen sponsern, fließt das Geld nur selten aus reiner Nächstenliebe. Allerdings sind die Universitäten umso stärker auf andere Geldquellen angewiesen, je weniger der Staat sie finanziert.

Nun zeigt ein bislang geheimer Vertrag zwischen zwei Berliner Hochschulen, der Humboldt-Universität (HU) und der Technischen Universität (TU), sowie der Deutschen Bank, wie sehr das die Freiheit der Wissenschaftler einschränken kann - und wie bereitwillig die Universitäten dabei mitmachen.

Die Unis und die Deutsche Bank einigten sich bereits im Jahr 2006 auf eine gemeinsame Forschungsinitiative. Im Jahr darauf bauten sie das "Quantitative Products Laboratory"  auf, ein Institut für Angewandte Finanzmathematik, ausgestattet mit zwei "Deutsche-Bank-Stiftungsprofessuren" - komplett bezahlt von der Bank, mit drei Millionen jährlich. Laut Vertrag sollten mit den beiden berufenen Professoren Peter Bank und Ulrich Horst dort "gemeinsame wissenschaftliche Arbeiten partnerschaftlich durchgeführt werden". Horst wollte sich zu der Zusammenarbeit nicht äußern, Bank war nicht erreichbar.

Allerdings zeigt ein Blick in den Vertrag, der SPIEGEL ONLINE vorliegt, dass die Zusammenarbeit zwischen HU, TU und Deutscher Bank nicht besonders partnerschaftlich geregelt ist: Im Grunde verpflichten sich die Universitäten, dass sie beim Institut so gut wie nichts entscheiden dürfen, ohne dass die Deutsche Bank zustimmt. Zwar versichern nun die Vertragspartner, dass die wissenschaftliche Unabhängigkeit immer gewährleistet gewesen sei. Allerdings ist allein der Einfluss brisant, den die Deutsche Bank im Vertrag beansprucht - und den die Unis ihr einräumten.

Lehre, Personal, Forschung: Mitreden darf die Bank so gut wie überall

Sie vereinbarten detailliert, wo überall die Banker mitzureden haben. Der Vertrag, der jetzt öffentlich wurde, legt die Zusammenarbeit auf vier Jahre fest, mit einer Option auf weitere vier Jahre. Im kommenden Juni wird der Vertrag auslaufen, die Verlängerungsoption wird nicht wahrgenommen, bestätigte ein Sprecher der Deutschen Bank.

In der Wissenschafts-Community gibt es Empörung: "Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier Wissenschaft eingekauft werden sollte", sagt Michael Hartmer, Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes. Es müsse dringend nachgebessert werden, der Vertrag zwischen TU, HU und Bank verstoße gegen die "ehernen Grundsätze der Wissenschaftsfreiheit" und gehe weit über die üblichen Vereinbarungen bei Stiftungsprofessuren hinaus. "Beim besten Willen: Das ist keine normale Drittmittelvereinbarung."

Es ist ein offenes Geheimnis, dass bei Stiftungsprofessuren gekungelt wird. Wenn Firmen Universitäten Millionen spenden, wollen sie gern vorher wissen, welcher Wissenschaftler auf den von ihnen bezahlten Posten berufen wird. Sie wollen darauf Einfluss ausüben, in welche Richtung geforscht wird und wie sich die Ergebnisse nutzen lassen. Besonders anfällig sind Fächer, in denen die Forschung teuer ist, Medizin etwa oder Pharmazie. Aber meist sind solche Absprachen informell; es wird kein Vertrag darüber abgeschlossen, der beide Seiten nicht gut aussehen lässt.

Die Deutsche Bank wollte schon bei der Besetzung der beiden Professoren mitreden: Sie erfolge laut Vertrag "im Einvernehmen mit der Deutschen Bank". Die Banker forderten, in der Berufungskommission zu sitzen und bekamen auch einen Platz. Auch den Standort des Instituts bestimmten sie: nämlich "in räumlicher Nähe zur Deutschen Bank" - schließlich werde eine "enge inhaltliche Zusammenarbeit" angestrebt. Der Wunsch wurde ihnen auch erfüllt: Das Institut ist in Berlin in der Alexanderstraße 5 angesiedelt, im gleichen Haus wie das "Investment & FinanzCenter" der Bank.

Die Deutsche Bank entscheidet, welche Ergebnisse wann veröffentlicht werden

Ein Lenkungsausschuss werde die Forschungsinitiative inhaltlich leiten, er entscheide unter anderem über die praktische Durchführung, über die zu verfolgende Forschungsstrategie, über personelle Mittel und "alle anderen Fragen, die die interne Abstimmung zwischen den Vertragspartnern betreffen". Der Ausschuss wurde paritätisch besetzt: mit zwei Vertretern der Deutschen Bank und zwei Professoren der Unis. Entscheidend ist dabei aber die Stimmengewichtung in einer Pattsituation: "Im Fall von Stimmengleichheit gibt die Stimme des Managing Directors den Ausschlag, der den Vorsitz führt", heißt es in Paragraph 3 des Vertrages. Und der Managing Director kommt von der Deutschen Bank.

Die Bank entscheidet auch darüber, welche Forschungsergebnisse an die Öffentlichkeit gelangen. Denn sie sind "der Deutschen Bank mindestens 60 Tage vor der Weitergabe an Dritte, etwa zum Zwecke einer eventuellen Erstveröffentlichung, zur Freigabe vorzulegen". Großzügig räumt die Deutsche Bank ein, die Freigabe nicht "unbillig" zu verweigern - allerdings nur solange "deren Veröffentlichung die Interessen der Deutschen Bank nicht berührt". Erst nach zwei Jahren können die Wissenschaftler demnach mit ihren Ergebnissen machen, was sie wollen.

Auch auf die Lehre sichert sich die Deutsche Bank Einfluss, indem ihre Mitarbeiter "im Rahmen geltender Vorschriften Lehraufträge erhalten und zu Prüfungen herangezogen werden". Außerdem organisiert die Bank laut Paragraph 7 "Personalmarketing" ihre Mitarbeiterrekrutierung: "Die Universitäten werden die Deutsche Bank im Hinblick auf ihre Positionierung im Personalmarkt und bei der Optimierung ihrer Aktivitäten zur Gewinnung geeigneter Praktikanten und zukünftiger Mitarbeiter unterstützen." Dazu gehören unter anderem "Personalmarketingmaßnahmen an der Hochschule" wie Mailings, Intranetauftritte und die "Verteilung von Infomaterialien durch die hochschuleigene Hauspost".

HU-Präsident will derartige Verträge in Zukunft anders formulieren

Die brisanten Absprachen hat der Berliner Politikwissenschaftler Peter Grottian veröffentlicht. Der emeritierte Professor sorgt immer wieder mit Protestaktionen für Aufsehen, etwa mit angekündigtem Schwarzfahren, um das Sozialticket in Berlin zu erhalten. Von der Deutschen Bank hat er Aktien gekauft, um als Kapitalismuskritiker bei Hauptversammlungen sprechen zu dürfen. Er sagte SPIEGEL ONLINE, es sei "dreist, hart und ungewöhnlich", wie das Unternehmen sich durch den Vertrag Einfluss auf Forschung und Lehre sichern wolle. Andererseits schockiere ihn der "prinzipienfeste Opportunismus" der Universitäten, die sich darauf einließen.

Die beiden beteiligten Universitäten versichern nun, dass die Unabhängigkeit der Wissenschaftler uneingeschränkt gewährleistet sei. Jedoch scheint die HU auch nicht ganz glücklich über den Vertrag zu sein, zumindest sagte deren Präsident Jan-Hendrik Olbertz: "Ich kann die kritischen Fragen gut nachvollziehen." In künftigen Verträgen müsse "die Unabhängigkeit der Wissenschaft deutlicher und vor allem unmissverständlich artikuliert werden."

Auch die Zustimmungspflichten seien durchaus üblich, die sich auf den Umfang und den Zeitpunkt der Veröffentlichungen beziehen, schreibt die TU in einem Statement. "Dies gilt insbesondere dann, wenn der Partner unseren Wissenschaftlern Informationen bereitstellt, die seine eigenen Geschäftsinteressen berühren und nicht zur Veröffentlichung geeignet sind." So argumentiert auch die Deutsche Bank.

Darüber hinaus hätten auch Deutsche-Bank-Mitarbeiter keine Lehraufträge wahrgenommen, versichert der Sprecher. Und der "Managing Director" habe, so sagen es die Bank und die beiden Unis, mit seiner Stimme im Lenkungsausschuss nie den Ausschlag gegeben.

Der Berliner Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) will sich zu dem Fall noch nicht äußern. Man sei noch mitten in der "Sachstandsaufklärung", sagte ein Sprecher.