Inhalt

VGH München, Beschluss v. 06.12.2021 – 12 CE 21.2846
Titel:

Auswahlermessen bei mehreren Bewerbern als Träger zur Durchführung von Jugendhilfemaßnahmen

Normenketten:
GG Art. 12 Abs. 1
SGB VIII § 3, § 4, § 13, § 13a, § 77, § 79 Abs. 2
GWB §§ 97 ff.
Leitsätze:
1. Bemühen sich mehrere freie Träger um die Durchführung von Jugendhilfemaßnahmen, so steht ihnen auf der Grundlage der aus Art. 12 Abs. 1 GG abzuleitenden Wettbewerbsfreiheit ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung und chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren zu, gleichviel ob ein solches zu Recht oder zu Unrecht durchgeführt wird (sog. „Bewerbungsverfahrensanspruch“); vorläufiger Rechtsschutz ist in diesen Fällen nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu gewähren. (Rn. 2)
2. In materiell-rechtlicher Hinsicht verpflichtet § 79 Abs. 2 SGB VIII den Träger der öffentlichen Jugendhilfe, eine plurale Angebotsstruktur (vgl. § 3 SGB VIII) zu schaffen und dafür zu sorgen, dass Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen zur Verfügung stehen, die den unterschiedlichen Wertorientierungen in der Gesellschaft entsprechen. (Rn. 4)
3. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist deshalb nicht berechtigt, einen wettbewerbsbeeinflussenden Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der verschiedenen freien Träger der Jugendhilfe auszuüben, Jugendhilfeleistungen zu bewirtschaften, dabei bestimmte Anbieter zu begünstigen und andere zu benachteiligen, um letztlich eigene Interessen - meist solche der Kostendämpfung - zu verfolgen. (Rn. 4)
4. Vereinbarungen nach § 77 SGB VIII für rechtsanspruchsgesicherte Leistungen - wie etwa solche nach §§ 13, 13a SGB VIII - können deshalb nicht exklusiv nur mit einem oder einer begrenzten Anzahl von Leistungserbringern abgeschlossen werden; sie sind vielmehr mit jedem Leistungserbringer einzugehen, der geeignet und zur Durchführung willens ist. (Rn. 5)
5. Eine Anwendung von Vergaberecht (§§ 97 ff. GWB) ist damit ausgeschlossen; für eine selektive Auswahlentscheidung nach wettbewerbs- bzw. vergaberechtlichen Grundsätzen ist aufgrund der Verpflichtung des öffentlichen Jugendhilfeträgers zur Wahrung eines pluralen Angebots (§ 79 Abs. 2 SGB VIII) auch im Rahmen der Schulsozialarbeit kein Raum. Eine gleichwohl vorgenommene vergaberechtliche Ausschreibung ist wegen Unvereinbarkeit mit den Grundsätzen des Jugendhilferechts unzulässig. (Rn. 9)
Schlagworte:
Vergabe von Jugendhilfeleistungen der Schulsozialarbeit, vorläufiger Rechtsschutz, Auswahlermessen, Vergaberecht, plurales Angebot, Sozialarbeit, Jugendhilfe
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 28.10.2021 – M 18 E 21.2712
Fundstellen:
NVwZ-RR 2022, 221
BeckRS 2021, 40089
LSK 2021, 40089

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Gründe

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Die zulässige Beschwerde, mit der der Antragsgegner sich gegen die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 28. Oktober 2021 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (§ 123 VwGO) erlassene vorläufige Untersagung der Vergabe von Jugendhilfeleistungen in Form der Schulsozialarbeit nach §§ 13, 13a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) an die Beigeladene wendet, bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht hat. Der Antragsgegner greift mit der Durchführung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens (§§ 97 ff. GWB) rechtswidrig in die Berufsfreiheit der freien Jugendhilfeträger ein (Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG). Die Beschwerdebegründung vom 2. Dezember 2021 kann zu keiner anderen Beurteilung führen.
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1. Bemühen sich mehrere freie Träger um die Durchführung von Jugendhilfemaßnahmen, so steht ihnen auf der Grundlage der aus Art. 12 Abs. 1 GG abzuleitenden Wettbewerbsfreiheit ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung und chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren zu, gleichviel ob ein solches zu Recht oder zu Unrecht durchgeführt wird (sog. „Bewerbungsverfahrensanspruch“); vorläufiger Rechtsschutz ist in diesen Fällen nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu gewähren (vgl. näher Kunkel/Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 74 Rn. 39 u. 40; v. Boetticher/Münder, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 74 Rn. 54; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 77 Rn. 6; v. Boetticher/Münder, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 77 Rn. 15; Schindler/Elmauer, in: Kunkel/Kepert/Pattar, LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 77 Rn. 7; siehe aus der Rechtsprechung OVG NRW, B.v. 18.03.2005 - 12 B 1931/04 -, ZfJ 2005, 484 - juris, Rn. 6 f.; B.v.30.03.2005 - 12 B 2444/04 -, ZfJ 2005, 485 - juris, Rn. 3; OVG Berlin, B.v. 04.04.2005 - 6 S 414/04 - juris, Rn. 16 ff.; BayVGH, B.v. 20.03.2014 - 12 ZB 12.1351 -, JAmt 2014, 578 - juris, Rn. 26 m.w.N.).
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Die (vorherige) Beteiligung an einem - gegebenenfalls sogar widerrechtlich ins Werk gesetzten - Ausschreibungsverfahren nimmt einem Bewerber entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht die Befugnis, die Unzulässigkeit des Verfahrens zu rügen und eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die eigene Berücksichtigung unabhängig davon zu erwirken, aus welchen Gründen sein Angebot als nicht zuschlagsfähig ausgeschlossen wurde. Der Anspruch des Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung ist daher nicht bereits dadurch erfüllt, dass er an einem - noch dazu widerrechtlich durchgeführten - Auswahlverfahren beteiligt war und aus formalen Gründen ausgeschlossen wurde.
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2. In materiell-rechtlicher Hinsicht verpflichtet § 79 Abs. 2 SGB VIII den Träger der öffentlichen Jugendhilfe, eine plurale Angebotsstruktur (vgl. § 3 SGB VIII) zu schaffen und dafür zu sorgen, dass Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen zur Verfügung stehen, die den unterschiedlichen Wertorientierungen in der Gesellschaft entsprechen (vgl. Kunkel/Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 79 Rn. 17; v. Boetticher/Münder, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 3 Rn. 3). Zur Wahrung seiner Gesamtverantwortung ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe hingegen nicht berechtigt, einen wettbewerbsbeeinflussenden Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der verschiedenen freien Träger der Jugendhilfe auszuüben, Jugendhilfeleistungen zu bewirtschaften, dabei bestimmte Anbieter zu begünstigen und andere zu benachteiligen, um letztlich eigene Interessen - meist solche der Kostendämpfung - zu verfolgen (vgl. VG Darmstadt, B.v. 28.02.2016 - 5 L 652/15. DA -, NJW 2016, 2677 - juris, Rn. 51; Kunkel/Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 79 Rn. 8; Schindler/Elmauer, in: Kunkel/Kepert/Pattar, a.a.O., § 77 Rn. 7).
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Darüber hinaus ist das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten zu beachten (§ 5 SGB VIII). Auch die Achtung der Selbstständigkeit der freien Jugendhilfe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) schützt die Träger der freien Jugendhilfe im Rahmen der Zusammenarbeit in ihrer Autonomie als Träger eigener sozialer Aufgaben und bei der eigenen Aufgabenwahrnehmung (vgl. Meysen/Beckmann/Reiß/Schindler, Recht der Finanzierung von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, 2014, Rn. 157 u. 159). Vereinbarungen nach § 77 SGB VIII für rechtsanspruchsgesicherte Leistungen - wie hier nach §§ 13, 13a SGB VIII (vgl. Schäfer/Weitzmann, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 13 Rn. 7; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 13 Rn. 7; Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 5. Aufl. 2017, § 13 Rn.19) - können deshalb entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht exklusiv nur mit einem oder einer begrenzten Anzahl von Leistungserbringern abgeschlossen werden; sie sind vielmehr mit jedem Leistungserbringer einzugehen, der geeignet und zur Durchführung willens ist (vgl. VG Darmstadt, B.v. 28.02.2016 - 5 L 652/15. DA -, NJW 2016, 2677 - juris, Rn. 62; v. Boetticher/Münder, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 77 Rn. 11; DIJuF-Rechtsgutachten, JAmt 2018, 502 f.). Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben insoweit keine rechtliche Handhabe, um mit Blick auf den vorhandenen sowie den prognostizierten Bedarf der Leistungsberechtigten die Anzahl der Leistungsanbieter mithilfe von exklusiven Vereinbarungen zu steuern (vgl. v. Boetticher/Münder, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 77 Rn. 11). Bereits dies schließt die Anwendung von Vergaberecht von vornherein aus (vgl. DIJuF-Rechtgutachten, JAmt 2018, 502 f.; Schweigler, JAmt 2019, 290 [292] m.w.N.); für eine selektive Auswahlentscheidung nach wettbewerbs- bzw. vergaberechtlichen Grundsätzen (vgl. hierzu Gummert, in: Bernzen/Grube/Sitzler, Leistungs- und Entgeltvereinbarung in der Sozialwirtschaft, 2018, § 11 Rn. 28) ist aufgrund der Verpflichtung des öffentlichen Jugendhilfeträgers zur Wahrung eines pluralen Angebots (§ 79 Abs. 2 SGB VIII) entgegen der Auffassung des Antragsgegners auch im Rahmen der Schulsozialarbeit kein Raum. Der Subsidiaritätsgrundsatz (§ 4 Abs. 2 SGB VIII) verlangt, dass Träger der öffentlichen Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen, wenn Träger der freien Jugendhilfe Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen betreiben (wollen). Dies gilt selbstredend auch für den Antragsgegner des vorliegenden Verfahrens.
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3. Ungeachtet dessen liegt anders als der Antragsgegner meint auch ein „öffentlicher Auftrag“ i.S.d. § 103 Abs. 1 GWB, der die Anwendbarkeit des Vergaberechts (§§ 97 ff. GWB) erst eröffnen würde, nicht vor.
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Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe kaufen nicht gezielt Leistungen ein, um sie den Leistungsberechtigten zur Verfügung zu stellen, wie dies für die Anwendung des Vergaberechts erforderlich wäre; sie beschaffen nicht Leistungen gegen Entgelt auf einem „Markt für Jugendhilfeeinrichtungen“. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe erteilen deshalb keine „öffentlichen Aufträge“ i.S.d. Wettbewerbsrechts, sondern befördern und ermöglichen „lediglich“ die vorrangigen Tätigkeiten der freien Jugendhilfe; sie sorgen mit der Förderung der freien Jugendhilfe entgegen der Auffassung des Antragsgegners auch nicht für die Erfüllung eigener Aufgaben, sondern unterstützen „lediglich“ die freie Jugendhilfe bei der Erfüllung von Aufgaben, die diese sich selbst gestellt hat (vgl. Meysen/Beckmann/Reiß/Schindler, Recht der Finanzierung von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, 2014, Rn. 153, 147 u. 154; Schweigler, JAmt 2019, 290 [292]; DIJuF-Rechtsgutachten, JAmt 2018, 502 [503]).
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Träger der freien Jugendhilfe, die gegenüber Hilfeempfängern eine Leistung erbringen, erfüllen ihre eigene Verpflichtung aus einem privatvertraglichen Schuldverhältnis mit diesen, handeln insoweit aber nicht im Auftrag und gemäß den Weisungen des öffentlichen Trägers (§ 4 Abs. 1 SGB VIII). Bei der Leistungserbringung nach dem SGB VIII handelt es sich deshalb weder unmittelbar noch mittelbar um eine Erbringung der Leistung gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe, sondern um eine unmittelbare Inanspruchnahme der Leistung durch die jeweiligen Bürger beim Träger der freien Jugendhilfe selbst (vgl. Meysen/Beckmann/Reiß/Schindler, Recht der Finanzierung von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, 2014, Rn. 161 u. 162; Schweigler, JAmt 2019, 290 [292 f.]). Lediglich die Finanzierung der Leistungen erfolgt aufgrund der dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe durch § 79 SGB VIII zugewiesenen Gesamtverantwortung im Sinne einer Letztverantwortung gegenüber den Leistungsberechtigten für die Erfüllung der gesetzlich geregelten Aufgaben der Jugendhilfe (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 79 Rn. 1).
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Da es infolgedessen an einem „öffentlichen Auftrag“ fehlt, besteht weder eine Verpflichtung noch eine aufgrund von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erforderliche (vgl. BayVGH, B.v. 20.03.2014 - 12 ZB 12.1351 -, JAmt 2014, 578 - juris, Rn. 26 m.w.N.) gesetzliche Ermächtigung für die Durchführung eines Vergabeverfahrens; eine - wie hier - gleichwohl vorgenommene vergaberechtliche Ausschreibung ist wegen Unvereinbarkeit mit den Grundsätzen des Jugendhilferechts unzulässig (vgl. Meysen/Beckmann/ Reiß/Schindler, Recht der Finanzierung von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, 2014, Rn. 148). Der „Ausnahme-Fall“ einer nicht rechtsanspruchsgesicherten (freiwilligen) Leistung, in dem nach einer im Vordringen begriffenen Auffassung Vergaberecht Anwendung finden soll (vgl. hierzu v. Boetticher/Münder, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 77 Rn. 12; Schweigler, JAmt 2019, 290 [293]), weil der öffentliche Auftraggeber - zulässigerweise - eine exklusive Auswahlentscheidung treffen darf, ist bei Leistungen nach §§ 13, 13a SGB VIII entgegen der Auffassung des Antragsgegners von vornherein nicht gegeben.
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Ebenso wenig ist vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Antragsgegner die jugendhilferechtlichen Grundsätze der §§ 3, 4, 5 und 79 Abs. 2 SGB VIII im Rahmen des Vergabeverfahrens (§§ 97 ff. GWB) beachtet und die Aspekte der Trägervielfalt sowie die Verpflichtung zu einem pluralen Angebot berücksichtigt hätte. Vielmehr müsste eine Erteilung des Zuschlags an den Beigeladenen tatsächlich zu einem vollständigen Ausschluss des Antragstellers von jeder eigenen förderfähigen Betätigung im Rahmen der Schulsozialarbeit in den streitgegenständlichen Schulen führen.
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4. Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsgegner deshalb die Zuschlagserteilung zu Recht untersagt. Ein Abwarten der Entscheidung im Hauptsacheverfahren kann dem Antragsteller nicht zugemutet werden. Die Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren schließt den Primärrechtsschutz aus, da Unterlassungsansprüche dadurch untergehen (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 29.10.2018 - 10 ME 363/18 - juris, Rn. 16 m.w.N.). Eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung auf Abschluss einer Finanzierungsvereinbarung für Leistungen nach §§ 13, 13a SGB VIII wäre dem Antragsgegner für die Dauer des Ausschreibungszeitraums infolgedessen nicht mehr möglich und der Rechtsanspruch des Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung würde irreversibel vereitelt. Eine lediglich „vorläufige“ Zuschlagserteilung, wie vom Antragsgegner zur Abwendung der einstweiligen Anordnung des Verwaltungsgerichts vorgeschlagen, ist aufgrund der beschriebenen Rechtswirkungen der Zuschlagserteilung ausgeschlossen.
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5. Ebenso wenig ist eine Vorlage nach § 267 Abs. 3 AEUV veranlasst. Ein „öffentlicher Auftrag“ i.S.d. § 103 GWB liegt - wie dargelegt - nicht vor, sodass eine entscheidungserhebliche Verknüpfung mit dem Wettbewerbs- und damit dem Europarecht von vornherein nicht besteht. Erwägungsgrund 4 der inzwischen in nationales Recht umgesetzten RL 2014/24/EU vom 26. Februar 2014 sieht ausdrücklich vor, dass Fälle, in denen - wie hier - alle Wirtschaftsteilnehmer (Träger der freien Jugendhilfe), die bestimmte Voraussetzungen (vgl. §§ 3, 4, 5 u. 79 Abs. 2 SGB VIII) erfüllen, zur Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe (hier der Schulsozialarbeit nach §§ 13, 13a SGB VIII) - ohne irgendeine Selektivität - berechtigt sind, nicht als Auftragsvergabe verstanden werden sollen (siehe auch BT-Drucks. 18/6281, S. 73 zu § 103 Abs. 1 GWB und S. 114 zu § 130 GWB). Der „Ausnahme-Fall“ einer nicht rechtsanspruchsgesicherten (freiwilligen) Leistung, in dem Vergaberecht nach einer im Vordringen begriffenen Auffassung zur Anwendung kommen können soll (vgl. hierzu v. Boetticher/Münder, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 77 Rn. 12 ff.), ist vorliegend nicht gegeben. Ebenso wenig unterliegt das Kinder- und Jugendhilferecht selbst dem Anwendungsvorrang des Europarechts. Für eine Vorlage nach § 267 Abs. 3 AEUV - zumal im Eilverfahren - ist daher mangels vernünftiger Auslegungszweifel kein Raum (vgl. EuGH, U.v. 6.10.1982 - Rs 283/18, Slg. 1982, 3415 - „CILFIT“, Rz. 10, 16).
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Die Beschwerde ist deshalb zurückzuweisen. Aufgrund der Eilbedürftigkeit ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 i.V.m. § 188 Satz 2 VwGO.
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7. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).