Katharina Schulze

Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag

Innenpolitik

Fall Lübcke: Endlich handeln. Rechtsextremismus konsequent bekämpfen!

18. Juni 2019 in Im Parlament |

Kennen Sie Christoph Probst? Er war ein Widerstandskämpfer der Weißen Rose. Meine Schule wurde nach ihm benannt. Dort habe ich gelernt, wie wichtig Zivilcourage ist. Wie zerbrechlich eine Demokratie sein kann. Und dass man Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus von Anfang an konsequent entgegentreten muss. Denn durch Schweigen werden diese Gefahren immer mächtiger und größer. Ich bin also Antifaschistin seit meiner Schulzeit. Seit sechs Jahren kämpfe ich jetzt auch als Innenpolitische Sprecherin meiner Fraktion parlamentarisch gegen Rechtsextremismus.

Rechtsextremismus ist überall

Und da gibt es viel zu tun! Ich komme aus Bayern, dem Bundesland, in dem 1980 das Oktoberfestattentat stattfand. In dem der NSU fünf Morde verübt hat, die bis heute nicht abschließend aufgeklärt sind. Das Bundesland, an dem im Juli 2016 neun Menschen bei einem Attentat im Münchner Olympiaeinkaufszentrum getötet worden sind. Ein Verbrechen, das immer noch nicht als rechtsextremistische Tat eingeordnet ist, obwohl alles darauf hinweist. Bayern, ein Land, in dem ein „Reichsbürger“ vor zwei Jahren in Georgensgmünd einen Polizisten erschießt und drei weitere anschießt.

Nicht nur in Bayern, überall in unserem Land kommt es zu Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte, Angriffe gegen Jüdinnen und Juden, Volksverhetzung, Aufmärschen von Neonaziorganisationen und politisch motivierten Straf- und Gewalttaten. 2015 gab es einen Mordversuch an der Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker, im Herbst 2016 zündete ein Rechtsextremer eine Bombe in einer Moschee in Dresden und erst vor kurzem kamen Terrorpläne der rechtsextremen Chatgruppe „Nordkreuz“ ans Licht. Und jetzt, vor zwei Wochen der schreckliche Mord an Walter Lübcke – ein Vertreter des Staates wird auf seiner Terrasse erschossen, der Täter vermutlich ein Rechtsextremist. Mittlerweile hat die Bundesanwaltschaft das Verfahren übernommen, die Behörde begründet dies mit der Annahme einer rechten Straftat. Wir haben also ein Problem in Deutschland. Und das heißt Rechtsextremismus.

Rechter Terror ist mitten in Deutschland. Man könnte große Debatten, ständige Sondersendungen, Maßnahmenkonzepte des Innenministers, Aktionspläne der Regierung, und und erwarten. Nichts dergleichen passiert. In Teilen Deutschlands wird sogar darüber geschwiegen. Rechtsextremismus wird in unserem Land oft kleingeredet. Nach der obligatorischen Phrase „aber was ist mit dem Linksextremismus“ kann man die Uhr stellen. Und manche Menschen feiern und befeuern das Erstarken rechtsextremistischer und antidemokratischer Strukturen noch dazu. Manche dieser Menschen tun das sogar aus unseren Parlamenten heraus. Das ist beschämend und bitter.

Ich wünsche mir endlich eine Debatte mit konkreten Lösungsvorschlägen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus. Wichtig wäre mir dabei, dass nicht ständig unsachliche oder rhetorische Ablenkung betrieben wird, indem auf Linksextremismus und auf den islamistischen Terrorismus verwiesen wird. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Wenn rechte Gewalt- und Straftaten so massiv ansteigen, dann muss man sich darum kümmern. Rechtsextremismus kann für sich alleine stehen und muss bekämpft werden. Und das dringend. Was also ist zu tun?

Repression ausbauen

Die Bekämpfung des Rechtsextremismus und des rechten Terrors muss mit zur obersten Priorität der Sicherheitsbehörden werden – dafür braucht es die gleiche Effizienz der Sicherheitsbehörden und Ressourcen wie z. B. bei dem Thema islamistischer Terrorismus. Dazu gehört, den Fahndungs- und Ermittlungsdruck bei politisch motivierten Straf- und Gewalttaten zu erhöhen. Die knapp 660 offenen Haftbefehle gegen rechte Straftäter im Bund, 81 alleine in Bayern endlich zu vollziehen. Rechtsextreme Gefährder müssen konsequent überwacht werden . Neonazi-Organisationen wie der „Dritte Weg“ und „Combat 18“ gehören zerschlagen und verboten und  rechtsextreme Strukturen lückenlos aufgeklärt und transparent dokumentiert. Nur so können bereits begangene Taten schneller aufgeklärt und potentielle Nachahmer und Nachahmerinnen abgeschreckt werden.

Dazu gehört auch entschiedenes Vorgehen gegen Hass und Hetze – online wie offline. Ich weiß nicht, wie oft ich das noch betonen muss: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Und ja, vom Wort kommt es irgendwann zur Tat. Das mussten wir schon mehrfach erleben. Menschen, die sich volksverhetzend äußern oder andere mit Mord- und Vergewaltigungsfantasien bedrohen, müssen konsequent zur Rechenschaft gezogen werden. Dafür brauchen wir mehr qualifiziertes Personal – bei der Polizei und den Staatsanwaltschaften. Und natürlich auch die Möglichkeit bei einer virtuellen Polizeiwache online Strafanzeigen stellen zu können, das kann man in Bayern nämlich immer noch nicht.

Ich möchte, dass der Rechtsstaat mit all seinen Mitteln gegen jegliche Form von Rechtsextremismus und Rassismus vorgeht und dafür sorgt, dass Personen und Strukturen, die unsere demokratische Grundordnung in Frage stellen, aufgedeckt und bekämpft werden.

Aber Repression alleine reicht nicht: Wir müssen uns auch mit der Wurzel allen Übels beschäftigen: Dem Rassismus. Der Abwertung anderer Menschen aufgrund ihrer (vermeintlichen) Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Eine Ideologie, die sich gegen unsere Demokratie, Vielfalt und Toleranz richtet. Wir erleben eine Verschiebung des gesellschaftlichen Diskurses nach rechts, der schleichend begonnen hat und den manche schon gar nicht mehr sehen.

Demokratie stärken

Wir müssen unsere Demokratie festigen. Dazu zählt, dass die politische Bildungsarbeit intensiviert wird. Das beginnt im Kindergarten, geht über die Schule, Ausbildung, Hochschule und ist buchstäblich ein lebenslanges Lernen. Demokratie erleben und erlernen! Programme gegen Rassismus, Antisemitismus und auch Antifeminismus zu Hauf auflegen. Investitionen in Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit.

Was wäre unsere Demokratie ohne eine wehrhafte Zivilgesellschaft? Darum gehört sie gestärkt. Hier in Bayern haben wir nicht mal ein eigenes bayerisches Landesprogramm zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Träger. Das muss sich endlich ändern! Und natürlich müssen die Menschen geschützt werden, die von Rechtsextremismus bedroht werden. Wir brauchen unabhängige, landesweite professionelle Beratungsstellen im Bereich Opferberatung und Antidiskriminierung. Und ja, auch die Betreiber von Plattformen mit rechtsextremen Inhalten im Netz müssen wir stärker in die Haftung nehmen.

Mein Traum für Bayern ist, dass wir eine zentrale Koordinierungsstelle für Demokratie bekommen. Klingt sperrig, ist aber eine gute Sache: Denn der Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus muss als Querschnittsaufgabe endlich auch institutionell verankert werden. Dafür braucht es in der Staatskanzlei eine zentrale Koordinierungsstelle, die das Verwaltungshandeln für Demokratie und gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus sowie alle weiteren Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit über alle Ebenen und Ressortgrenzen hinweg koordiniert, alle Verwaltungsfelder sensibilisiert und die Verwaltung mit der Zivilgesellschaft vernetzt.

Es reicht jetzt! Wir müssen handeln. Gemeinsam. Geschlossen. Alle Demokratinnen und Demokraten. Egal ob sie im Parlament sitzen. Im Verein. In der Familie. Im Freundeskreis. In der Arbeit. Aufstehen, wenn andere sitzen bleiben. Hinschauen, wenn andere wegschauen. Zivilcourage zeigen, denn unsere Gesellschaft braucht uns jetzt. Zeigen wir den Rechtsextremisten und Rassisten, dass „Nie wieder!“ unsere Antwort auf ihr Denken und Handeln ist. Und zwar 365 Tage im Jahr.

Ich glaube weiterhin fest daran: Unser Land ist vielfältig, demokratisch und weltoffen. Deswegen: Kein Fußbreit den Faschisten.

Mehr Infos zur Bekämpfung von Rechtsextremismus finden Sie in meinem Handlungskonzept (PDF) „Sieben Punkte gegen Rechts“, in meinem Konzept (PDF) für ein vielfältiges und weltoffenes Bayern und im aktuellen grünen Lagebild (PDF) zu Rechtsextremismus.