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Bericht der Geheimdienstkontrolleure Militärgeheimdienst versagt im Kampf gegen Rechtsextremisten

Zwei Jahre lang hat ein Sonderermittler für den Bundestag untersucht, ob deutsche Behörden energisch genug gegen rechtsextreme Soldaten und Polizisten vorgehen. Das Ergebnis ist nach SPIEGEL-Informationen besorgniserregend.
Bundeswehrsoldaten des »Kommandos Spezialkräfte« (Archivbild)

Bundeswehrsoldaten des »Kommandos Spezialkräfte« (Archivbild)

Foto: Kay Nietfeld/ picture alliance/dpa

Die Geheimdienstkontrolleure des Bundestags attestieren den zuständigen Behörden nach zweijährigen Recherchen eines Sonderermittlers grobe Mängel bei der Verfolgung rechtsextremer Verdachtsfälle in der Bundeswehr und der Polizei.

Dieses harsche Urteil geht nach SPIEGEL-Informationen aus einem Berichtsentwurf des Parlamentarischen Kontrollgremiums hervor, der dort am Mittwoch in geheimer Sitzung beraten werden soll.

Das Dokument liest sich gleich zu Beginn alarmierend. Die intensiven Untersuchungen hätten demnach gezeigt, dass »in unterschiedlichen Sicherheitsbehörden« von Bund und Ländern trotz Sicherheitsüberprüfungen »einzelne Beschäftigte mit rechtsextremistischem – auch gewaltorientiertem – Gedankengut tätig sind«. Teils hätten sich diese virtuell über Chatgruppen vernetzt, teils aber auch bei Waffenbörsen oder Schießtrainings getroffen.

Auch wenn es kein festes Netzwerk oder eine bedrohliche Schattenarmee bei Bundeswehr oder Polizei gebe, so das Papier, gebe es eine »besorgniserregende digitale Vernetzung« zwischen den Verdächtigen.

Verbindungen zum völkischen AfD-»Flügel«

Sowohl der Bundeswehrgeheimdienst MAD als auch der Verfassungsschutz hätten deswegen ihr anfängliches Urteil, dass es sich bei entdeckten Rechtsextremisten lediglich um Einzelfälle handelt, korrigieren müssen. Laut dem Gremium seien hier dringend weitere Ermittlungen der Geheimdienste nötig.

Die Zusammenfassung des Berichts liest sich düster. Viele der mutmaßlich rechtsextremen Soldaten und Polizisten, so das Fazit, haben »eine ausgeprägte Waffenaffinität, verfügen über Spezialwissen aus ihrer beruflichen Erfahrung bei Spezialkräften der Bundeswehr, der Polizei und weiterer Behörden«. In einigen Fällen hätten sie konspirativ versucht, »den Stand der gegen sie laufenden Ermittlungen der Sicherheitsbehörden bzw. nachrichtendienstliche Operationen in Erfahrung zu bringen«.

Etliche der Verdächtigen haben dem Bericht zufolge Verbindungen zur rechtsextremen »Identitären Bewegung«, dem völkischen »Flügel« der AfD und deren Jugendorganisation JA, teils aber auch zu rechten Burschenschaften und der »Reichsbürger«-Bewegung. »Antisemitische Gesinnungen treten bei den handelnden Personen an vielen Stellen zutage«, heißt es in dem Papier.

Bei der Aufklärung solcher Vorfälle hat laut dem Papier insbesondere der Geheimdienst der Bundeswehr lange viel zu passiv agiert.

Der MAD habe »seine Aufgaben in der Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht in hinreichendem Maße wahrgenommen«, so das Urteil der Kontrolleure. An den Verfassungsschutz habe der MAD etwa Informationen über Verdachtspersonen nur »zurückhaltend« übermittelt.

Der MAD war in den letzten zwei Jahren immer wieder durch Skandale in die Schlagzeilen geraten. So steckte ein ranghoher Offizier des Dienstes, der ironischerweise auch immer im Kontrollgremium über den Stand der MAD-Ermittlungen gegen rechtsextreme Soldaten berichtete, alten Kameraden bei der Eliteeinheit »Kommando Spezialkräfte« (KSK) nach einer Razzia geheime Unterlagen zu.

In einem anderen Fall gab der MAD brisante Informationen über einen Soldaten des KSK, bei dem später ein großes Waffenversteck ausgehoben wurde, nicht an die Kollegen vom Verfassungsschutz weiter.

Die vielen Pannen sorgten vor einigen Wochen für die Ablösung von MAD-Präsident Christof Gramm, da sowohl das Verteidigungsministerium als auch das Kanzleramt das Vertrauen verloren hatten, dass er die nötigen harten Reformen beim MAD umsetzen kann. Diesen Job soll nun die Juristin Martina Rosenberg stemmen.

Die bereits eingeleiteten Reformen beim MAD bezeichnet das Kontrollgremium in dem Papier als »richtige und notwendige Wegmarken für eine professionelle Ausrichtung«. Die Zusammenarbeit des MAD mit dem Verfassungsschutz sei aber weiter »stark optimierungsbedürftig«, vor allem wenn es um rechtsextreme Verdachtsfälle unter Reservisten gehe.

Auch für den Bundesnachrichtendienst (BND) wünschen sich die Geheimdienstkontrolleure eine aktivere Rolle im Kampf gegen Rechtsextremismus. Internationale Kampfsportevents sowie Schießtrainings oder mögliche Waffenkäufe im Ausland müssten mit »gemeinsamer Kraft« erkannt werden.

Terrorermittlungen gegen Bundeswehrsoldaten

Das Kontrollgremium hatte den Sonderermittler Arne Schlatmann im November 2018 damit beauftragt, rechtsextreme Tendenzen bei der Bundeswehr und den Sicherheitsbehörden zu untersuchen. Der Verwaltungsjurist hat jahrelang im Innenressort gearbeitet. Nun sollte er die Defizite des Verfassungsschutzes, des BND und des MAD bei der Aufklärung möglicher rechtsextremer Netzwerke in den Behörden ausleuchten.

Ausgangspunkt waren die Terrorermittlungen gegen den rechtsextremen Oberleutnant Franco A., der verdächtigt wird, einen Anschlag geplant zu haben. Ziele könnten die Grünenpolitikerin Claudia Roth sowie Heiko Maas (SPD) oder Anetta Kahane, die Chefin der antirassistischen Amadeu Antonio Stiftung, gewesen sein.

Teil der Sonderuntersuchung war auch die rechtsextreme Prepper-Gruppe »Nordkreuz« in Mecklenburg-Vorpommern, die sich auf den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung vorbereitete. In der Gruppe waren mehrere Polizisten und Reservisten aktiv, gegen zwei Mitglieder ermittelt der Generalbundesanwalt seit 2017 wegen Terrorverdachts.

Ebenfalls durchleuchtet hat das Gremium den Umgang mit dem obskuren Verein »Uniter«, der seit diesem Sommer auch vom Verfassungsschutz als Rechtsextremismusverdachtsfall geführt wird. Sein Gründer ist ein ehemaliger KSK-Soldat, der in Chatgruppen unter dem Pseudonym »Hannibal« fungierte.

Zuletzt wurde im Sommer der Auftrag des Sonderermittlers nochmals ausgeweitet. Er soll auch untersuchen, wie die Behörden in den vergangenen zehn Jahren mit verloren gegangenen Waffen umgegangen sind – und welche Erkenntnisse die Dienste darüber haben, ob diese in den Händen von Extremisten landeten.

Es gebe »deutliche Hinweise auf einen sorglosen, nicht ordnungsgemäßen Umgang bei der Verwaltung von Schusswaffen und Munition« bei der Bundeswehr, schreibt nun das Kontrollgremium. Dies habe »begünstigt«, dass Waffen und Munition unbemerkt entwendet werden konnten.

Mit dem Bericht des Kontrollgremiums dürfte eine neue Diskussion beginnen, wie die Behörden für den Kampf gegen Rechtsextreme in den eigenen Reihen besser aufgestellt werden können.

Bei der Bundeswehr ist vor allem die Eliteeinheit KSK ins Visier geraten. Bis Mitte Dezember muss die Truppe Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer einen Bericht vorlegen, wie weit man dort mit Reformen gekommen ist.