Kommunalinfo: Zukünftige Anforderungen zur Phosphor-Rückgewinnung aus Klärschlamm

Liebe Freundinnen und Freunde,

am 01.01.2029 werden neue Regelungen für die Verwertung von Klärschlamm in Kraft treten. Davon werden voraussichtlich 148 kommunale Kläranlagen in Nordrhein-Westfalen betroffen sein. Die wesentlichste Änderung wird sein, dass alle Betreiber*innen von Abwasserbehandlungsanlagen mit Größen von über 100.000 Einwohnerwerten (EW) verpflichtet werden, Phosphor aus ihrem Klärschlamm zurückzugewinnen. Ab dem Jahr 2032 wird diese Pflicht bereits ab 50.000 EW gelten.

Phosphor ist ein lebenswichtiger Rohstoff, welcher jedoch nur begrenzt auf der Erde vorkommt und daher nicht einfach verloren gehen darf. Mit der Phosphor-Rückgewinnung wird somit ein großer Beitrag zur Verwirklichung einer „Circular Economy“, also einer Kreislaufwirtschaft im Sinne des Europäischen Green Deal, geleistet. Daher ist diese neue Verordnung richtig und wichtig! Sie stellt die nordrhein-westfälische Entsorgungsstruktur jedoch auch vor enorme Herausforderungen. Denn zum aktuellen Zeitpunkt gibt es bei uns in Nordrhein-Westfalen noch keine Anlage, für eine großtechnische Anwendung.

Betreiber*innen der großen Anlagen werden zudem verpflichtet, den Klärschlamm zu verbrennen. Das Ausbringen des Klärschlamms in den Boden wird dann für sie verboten sein. Kleinere Anlagen dürften den Klärschlamm zwar auf dem Boden ausbringen, die strengen Vorgaben der Düngemittelverordnung lassen jedoch auch für sie die Möglichkeit der Verbrennung attraktiv erscheinen. Die Erfahrungen hier in NRW zeigen uns ebenso deutlich, dass wir unsere Böden nicht länger als Schadstoffsenken benutzen dürfen. Dies ist uns insbesondere im Zusammenhang mit dem PFT-Skandal 2006 sehr klar vor Augen geführt worden. Boden und Wasser haben ein langes Gedächtnis und die Schadstoffe kommen im Umweltkreislauf irgendwann wieder bei den Menschen an. Es ist klar, dass sich die gesamte Entsorgungsstruktur in Nordrhein-Westfalen durch das Inkrafttreten der neuen Verordnung verändern wird und verändern muss.

Massive Kapazitätserweiterungen notwendig

Derzeit wird intensiv an verschiedenen Verfahren zur Phosphor-Rückgewinnung geforscht. Dabei kristallisiert sich heraus, dass ein Verfahren, bei dem in Mono-Klärschlammverbrennungsanlagen die Verbrennung des Klärschlamms und die Rückgewinnung des Phosphors im gleichen Anlagenkomplex geschehen, am effektivsten ist. Momentan ist dieses Verfahren auch das einzige, das überhaupt in der Lage ist, die neuen Anforderungen zu erfüllen. Die Klärschlamm-Mitverbrennung (anstelle einer Monoverbrennung) hingegen wird insbesondere im Hinblick auf den Kohleaussteig in Kraftwerken und perspektivisch auch bei den Zementwerken stark rückläufig sein. Somit ist klar: Der Bedarf an Mono-Klärschlammverbrennungsanlagen in NRW wird massiv steigen. Bei Planung und Bau neuer Anlagen könnte es daher in den nächsten Jahren zu Engpässen kommen.

Die Landesregierung tut nicht genug für den Umbau der Entsorgungsstruktur

Die Landesregierung ist in der Pflicht, diesen Umbau der Entsorgungsstruktur in NRW vorausschauend zu begleiten und die Kommunen bei dieser großen Herausforderung zu unterstützen. Die technischen Möglichkeiten der Phosphor-Rückgewinnung müssen dringend schon jetzt in neu zu bauenden Anlagen mitgedacht werden, damit die Anlagenbetreiber*innen gut vorbereitet auf die neuen Anforderungen reagieren können und die oben genannten Engpässe vermieden werden. Zu Recht hatte die Landesregierung daher bereits 2018 ein Untersuchungsvorhaben in Auftrag gegeben, das den Umbau unterstützen soll. Wir haben die Landesregierung in einer Kleinen Anfrage gefragt, wann dem Landtag die Ergebnisse zukommen werden, die für Ende 2020 angekündigt waren. Leider liegen diese der Landesregierung laut Antwort auf unsere Kleine Anfrage immer noch nicht vor. Anstatt sich hinter einem Gutachten zu verstecken, dessen Ergebnisse längst überfällig sind, sollte die Landesregierung nun endlich handeln.

In einer zweiten Kleinen Anfrage zu diesem Thema möchten wir daher von der Landesregierung wissen, welche Investitionen aktuell in Mono-Klärschlammverbrennungskapazitäten für die Umsetzung der oben genannten Anforderungen getätigt werden. Aus der Antwort der Landesregierung wird deutlich, was wir bereits vermutet hatten: Es läuft derzeit offensichtlich eine Ausschreibung für den Betrieb einer Klärschlammverbrennungsanlage, bei der das Phosphor-Recycling kein Bestandteil der Zuschlagskriterien ist. So wird ein geordneter Umbau der Entsorgungsstruktur in Nordrhein-Westfalen bis 2029 nicht gelingen können. Die Landesregierung verweist darauf, dass noch keine Betriebserfahrungen aus großtechnischen Anlagen vorhanden seien und die Planungen zur Phosphor-Rückgewinnung aus der Klärschlammasche daher noch nicht konkret seien. Wir meinen, hier müsste die Landesregierung deutlich aktiver werden und Planungen und Testbetriebe stärker fördern, damit an mehr Standorten früher die konkrete Planung beginnen kann. Ansonsten läuft die Zeit davon, denn bis 2029 ist es nicht mehr lange hin. Deswegen muss die Landesregierung ihre Anstrengungen deutlich verstärken.

Über das Thema und unsere Sorge, dass die Landesregierung das Ziel nicht einhält berichtet auch die Westfalenpost. Den Artikel findet ihr hier.

Wir freuen uns über Hinweise zu Initiativen und Projekten im Bereich Phosphor-Rückgewinnung aus Klärschlamm vor Ort. Teilt uns gerne mit, ob und wie das Thema bei euch vor Ort diskutiert wird, welche Probleme sich stellen und ob wir euch als Landtagsfraktion unterstützen können. Für Rückfragen oder Anregungen wendet Euch gerne an Johannes’ Büro (merit.thummes@landtag.nrw.de oder Tel: 0211/ 884-2772).