Vögel können den Rotorblättern von Windenergieanlagen gezielt ausweichen und das sogar ziemlich erfolgreich. Dies zeigt eine vor kurzem veröffentlichte Studie: Die berechnete Ausweichreaktion der Vögel liegt bei 99,9 Prozent.

Eine neue Studie zum Artenschutz aus Dänemark hat bemerkenswerte Ergebnisse erbracht. Im größten dänischen Onshore-Windpark „Klim Wind Farm“ in Nordjütland wurde das Verhalten von Vögeln in der Nähe der Windräder untersucht. Im Kern ging es um die Frage, ob und wie gut Vögel den Rotoren von Windrädern ausweichen können. Der untersuchte Windpark war dafür ideal: Das nahe gelegene internationale Vogelschutzgebiet Vejlerne umfasst eine Fläche von 6000 Hektar und ist das größte Nordeuropas. Insbesondere durch die großen Feuchtgebiete ist Vejlerne von besonderer internationaler Bedeutung: Diese dienen als Lebensraum sowie Sammel- und Rastort für eine Vielzahl an Vogelarten. Zu den in Vejlerne vorkommende Vogelarten gehören beispielsweise große Schwärme von Gänsearten wie etwa Grau- und Kurzschnabelgänse sowie Kranichen.

Durchgeführt wurden die Untersuchungen jeweils ein Jahr bzw. drei Jahre nach der Windpark-Errichtung im Jahr 2015. Der Fokus lag auf zwei Vogelarten, die mit einer großen Population in und um das Studiengebiet vertreten sind: Die Kurzschnabelgans und der Kranich. Während der Untersuchung wurden Daten gesammelt, um die Flugaktivität der beiden Arten zu beschreiben: 20.000 bis 30.000 Gänse und mehrere Hundert Kraniche dienten als Studiengrundlage

Überflug nur oberhalb des Gefahrenbereichs

Die Flugrouten und -höhen zeigten, dass Kurzschnabelgänse den Windpark größtenteils umfliegen, um zu geeigneten Nahrungshabitaten zu gelangen. Falls es doch zum Überfliegen kam, nutzen die Gänse Flughöhen weit oberhalb des Gefahrenbereiches.

Insgesamt wurden im ersten Jahr höchstens zwei, und im dritten Jahr sieben Federreste von Gänsearten gefunden. Es war keine eindeutige Bestimmung der Art und der Todesursache möglich. Zur Sicherheit wurden die Funde dennoch als kollisionsgetötete Kurzschnabelgänse bewertet. Daraus ergab sich ein Schätzwert jährlicher Kollisionen von 10-17 (Jahr 1) und 55-92 (Jahr 3) Kurschnabelgänsen.

Kraniche umfliegen nicht – Sie weichen aus!

Hinsichtlich der ebenfalls beobachteten Kraniche gab es in beiden Untersuchungsjahren keine Hinweise auf Kollisionen. Die Brutpopulation ist nach dem Bau der Windenergieanlagen sogar gestiegen. Die Flugrouten der Kraniche zeigen eindeutig: Kraniche meiden den Windpark nicht. Vielmehr flogen sie die meiste Zeit direkt durch den Windpark – jedoch ohne mit diesen zu kollidieren. Die Flughöhen zeigten außerdem, dass die Mehrheit der Kraniche sich auf Flughöhen befand, die sich mit der Höhe der Rotoren überlappen. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Diese Vogelart muss gut darin sein, den Windkraftanlagen auszuweichen.

Anzahl potenzieller Kollisionsopfern weit unterhalb vorgegebener Toleranzgrenze

Das Institut für Biowissenschaften der Universität Aarthus modelliert und setzt die einzuhaltende Toleranzgrenze fest. Das Ergebnis dieser Modellierung: Eine zusätzliche Sterblichkeit von rund 500-600 Individuen der ansässigen Kurzschnabelgans-Population kann toleriert werden ohne dass eine akute Gefahr für die Gesamtpopulation vorliegt.

Standardisierte Untersuchungsmethoden

Unter Verwendung von sogenannten Transektzählungen, Radaruntersuchungen und Kartierungen von Flugrouten mit Laseroptischen Messverfahren (Laserferngläser, Teleskope), wurden Entfernungen zu Windenergieanlagen und Flughöhen gemessen. Schließlich konnten mit Hilfe von erstellten 3D-Flugbahnen, detaillierte Bilder des Flugmusters der beiden Arten ausgewertet werden. Zusätzlich wurde mittels standardisierter Bedingungen unter ausgewählte Windenergieanlagen des Windparks nach toten Vögeln, Federn oder Überresten von Vögeln Ausschau gehalten.

Um mögliche Falschinterpretationen der Ergebnisse zu verhindern, wurden zusätzliche Experimente durchgeführt. Mittels ausgelegter toter Gänse konnte der Anteil des von Raubtieren entfernten Aas und die Fähigkeit der Beobachter, kollisionsgetötete Vögel unter den Turbinen zu finden, bestimmt werden. Diese Ergebnisse wurden in der Schätzung jährlich kollidierter Vögel einer Art berücksichtigt.

Ergebnisse bestärken Koexistenz von Windenergieanlagen und Naturschutzgebieten

Windenergieanlagen und Naturschutzgebiete stehen nicht im gegenseitigen Konflikt. Mit den Ergebnissen kann bestätigt werden, dass Vögel erstaunlich gut darin sind, um Windenergieanlagen herum bzw. darüber hinweg zu fliegen. Das Ergebnis und das daraus resultierende geringe Risiko der untersuchten Arten sollte auf alle Fälle bei zukünftigen Windenergieprojekten berücksichtigt werden.

Ansprechpartnerin

Lea Oppedisano

Referentin für Artenschutz

+49 211 93676059
lea.oppedisano@lee-nrw.de

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