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Klimaschutz und  Klimafolgenanpassung – jetzt! Klimaneutral bis 2035

12. November 2021

Gemeinsamer Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP und DIE LINKE an den Hauptausschuss am 11.11.2021 und an den Rat der Stadt Wuppertal am 16.11.2021

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

die Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP und DIE LINKE beantragen, die Mitglieder des Rates mögen beschließen:

Unter Berücksichtigung der bereits gefassten Ratsbeschlüsse (vgl. z. B. Integriertes Klimaschutzkonzept (IKSK) und des 14-Punkte-Paketes für mehr Klimaschutz in Wuppertal, beschließt der Rat folgende Maßnahmen:

 

1. Auf dem Weg zur Klimaneutralität 2035

Die Verwaltung erarbeitet einen Stufenplan zur Ermöglichung einer Klimaneutralität 2035 mit aus heutiger Sicht möglichen Maßnahmen, Meilensteinen in Zeitabschnitten sowie Evaluationsmechanismen. Bis zu Beginn des zweiten Quartals 2022 soll eine Planung der notwendigen Schritte und eine Kostenschätzung vorgelegt werden, die dann im II. Quartal 2022 in die Ratsgremien eingebracht wird. Darin enthalten sein sollen Umsetzungsmaßnahmen aus dem Integrierten Klimaschutzkonzept. Die Wuppertaler Stadtwerke werden beauftragt, ihre Dekarbonisierungsstrategie zu konkretisieren und sind als eine maßgebliche Akteurin eng in den Prozess Klimaneutralität 2035 einzubinden.

 

2. Solaroffensive für Wuppertal

Die Stadt Wuppertal startet eine Solaroffensive in enger Zusammenarbeit mit GMW, GWG, WSW, AWG, der Stadtsparkasse, der Handwerkskammer, der IHK, dem Jobcenter, Haus & Grund und den Bürgergenossenschaften und privaten Betreiberunternehmen. Beginnend mit dem Jahr 2022 werden pro Jahr 25 weitere kommunale Gebäude oder Flächen mit Solaranlagen ausgestattet. Zusätzlich soll eine stadtweite, konzertierte Aktion der genannten Organisationen angestoßen werden, damit auch geeignete Dächer oder Flächen in privatem Eigentum mit Solaranlagen ausgestattet werden.

Die Stadt erarbeitet, basierend auf den geltenden Bestimmungen, eine Handreichung für Privateigentümer und Firmen, wie die verstärkte Installation von Solaranlagen und Photovoltaik auf und an Gebäuden (inkl. Denkmäler), gestaltet und finanziert werden kann, informiert über notwendige Formalitäten und unterstützt aktiv in diesen Prozessen.

Mit einer aktiven Ansprache werden private und gewerbliche Eigentümer von Gebäuden durch die Stadt mittels Beratung und Informationsmaterial (persönlich, postalisch oder elektronisch) auf Förderprogramme hingewiesen und erhalten die erarbeitete Handreichung. Diese Informationen werden bei Terminen bzw. Kommunikationen mit dem Bauamt standardmäßig weitergereicht und aktiv auf die Vorteile hingewiesen.

Die Verwaltung wird beauftragt, bis zum Beginn des II. Quartals 2022 ein Umsetzungskonzept für die genannten Maßnahmen zu erarbeiten und den Ratsgremien vorzulegen.

Damit soll erreicht werden, dass pro Jahr eine große Anzahl neuer Anlagen (angestrebte Richtgröße 2.000 Anlagen) neu errichtet wird. Im Bewusstsein dessen, dass die Bestimmungen z.B. zu Mieterstrom, Quartiersnetzen und Denkmalschutz einen Ausbau verzögern können, ist auf diese Themen, die größtenteils auf Bundes- und Landesebene geregelt sind, Rücksicht zu nehmen, die dortigen Spielräume sind maximal auszunutzen.

Die Möglichkeit, in zukünftigen Bebauungsplänen oder bei ohnehin erfolgender Anpassung derselben, die Installation von Solaranlagen vorzuschreiben, ist jeweils zu prüfen. Die Verwaltung soll darlegen, ob für den Bestand und Gebiete ohne B-Plan entsprechende Empfehlungen und Anregungen, auch unter Nutzung und Promotion des vorhandenen Solarkastasters, ausgesprochen werden können. Insbesondere soll dieses immer dann geschehen, wenn ein Gebiet in den Gremien (auch außerhalb regulärer B-Pläne) gerade behandelt wird. Ziel ist, dass das Thema in den Beratungen präsent bleibt und somit Potenziale maximal genutzt werden.

 

3. Wärmewende

Die Stadt Wuppertal legt ein Programm zur Wärmedämmung von Bestandsimmobilien auf und nutzt die einzigartige Gelegenheit des Solar Decathlon 2021, um Projekte in Wuppertal zu unterstützen, entsprechende Fördermittel anzuwerben sowie Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Die Wärmewende in Wuppertal muss den Schwerpunkt auf die Nutzung von Geothermie setzen, sowohl durch private Eigentümer, durch Nahwärmenetze in Neubauquartieren und für die Fernwärme der WSW als Ergänzung zum Müllheizkraftwerk Korzert.

Die bestehenden Netzstrukturen sind dabei auch unter Investitionsschutzaspekten langfristig zu nutzen bzw. weiterzuentwickeln. Entsprechende Maßnahmen in diesem Bereich werden eng mit den WSW abgestimmt, auch für den Fall, dass die Leistung des MHKW zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund abnehmender Mengen zurückgehen sollte, für diesen Fall ist eine passende Strategie zu entwickeln. Die Zusammenarbeit mit lokalen Expertise-Einheiten, wie dem Circular Valley, Wuppertal Institut und anderen, werden für weitreichende Erkenntnisse und Potenziale im Rahmen der Kreislaufwirtschaft und Wärmewende intensiviert.

Auch hierzu wird die Verwaltung beauftragt, bis Jahresende ein Umsetzungskonzept vorzulegen.

 

4. Mobilität in Wuppertal

a) Das in Erarbeitung befindliche Mobilitätskonzept (VO/0238/18) wird auf die Elemente zur Förderung der Verkehrswende (ÖPNV, Rad- und Fußverkehr, Stellplätze und Parkraum) und die Wechselbezüge fokussiert.

b) Im Austausch mit den Bezirksvertretungen werden weitere Standorte für Mobilitätsstationen identifiziert. Es wird eine zeitlich konkrete Planung des Ausbaus für die nächsten Jahre erarbeitet. Zu diesem Zwecke werden Mobilitätsstationen auch Bestandteil der städtebaulichen Verträge von größeren Bauprojekten.

c) Der bereits beschlossene Ausbau der E-Ladestationen wird forciert bzw. beschleunigt. Dafür dient ein zu erstellendes E-Ladestation-Konzept stadtteilbezogener Bedarfsplanung als Grundlage. Auch die Nutzung vorhandener Ladestationen, z.B. von Gewerbetrieben, ist hier, soweit möglich, einzubeziehen. Der Ausbau hat dabei so zu erfolgen, dass in Wuppertal kurzfristig eine dreistellige Zahl an Ladestationen entstehen kann.

 

5. Klimagerechtes Bauen

Die Verwaltung baut die Ressourcen im Bereich Stadtentwicklung und Bauen so aus, um eine Bebauungsplan-Initiative starten zu können. D.h., Bebauungspläne sollen zukünftig bei Bedarf klimagerecht überarbeitet werden, um beispielsweise wirtschaftliche Investitionen im Sinn eines klimagerechten Bauens im innerstädtischen Bereich gezielt fördern zu können. Die Verwaltung wird beauftragt, hierzu die Umsetzungsmöglichkeiten zu erarbeiten und den Ratsgremien vorzulegen. Weiter oben genannte Punkte, wie 2. (Solaranlagen), sollen hier einfließen.

Alle geplanten kommunalen Großprojekte werden auf ihre Klimatüchtigkeit (insbesondere Schutz gegen Extremwetterereignisse) überprüft und ggf. durch klimafreundliche Maßnahmen zukunftssicher gestaltet. Auch bei bereits laufenden Projekten ist eine solche Prüfung sicherzustellen, gegebenenfalls nachzuholen.

 

6. Blau-Grüne Infrastruktur stärken – Resilienz im Klimawandel

Die Stadt Wuppertal erarbeitet ressortübergreifend einen Hitzeaktionsplan und bewirbt sich auf Landesebene als Modellkommune für die Umgestaltung in eine „Schwammstadt“ (siehe auch Antrag VO/1043/21/1-Neuf.). Weitere Maßnahmen zur Renaturierung der Wupper und ihrer Nebengewässer werden beschleunigt umgesetzt. Zudem sollen Flächen für Regenrückhaltebecken und andere Retentionsmaßnahmen identifiziert und gemeinsam mit den WSW realisiert werden. Die Möglichkeit, dass private Grundstückseigentümer geeignete Grundstücke bzw. deren Untergrund zur Verfügung stellen, ist zu prüfen. Die Starkregengefahrenkarte ist, wo noch nicht geschehen, grundstücksscharf auf das gesamte Stadtgebiet auszubauen. Das Paradigma des Anschluss- und Benutzungszwanges an die Regenwasserkanalisation zu Gunsten einer Versickerung von Regenwasser auf privaten Grundstücken wird geprüft. Die Verwaltung wird beauftragt, bis zum Frühjahr 2022 eine Neugestaltung des Anschluss- und Benutzungszwanges an die Regenwasserkanalisation, mit dem Ziel einer Nutzung der lokalen Versickerung, vorzulegen. Zentrale Kriterien sollen dabei das Verhältnis von versiegelter zu unversiegelter Fläche eines Grundstücks sowie das Volumen lokaler Niederschlagswasserauffangbehälter sein. Die fiskalischen Auswirkungen der möglichen Auswirkungen sind gesondert darzustellen.

 

7. Öffentlichkeitsarbeit

Die Stadt Wuppertal legt ein Konzept der Öffentlichkeitsarbeit vor, das die Wuppertaler*innen über die Themen Energiewende, Energieeffizienz, Mobilitätswende, Ressourcenverbrauchsminderung, Müllvermeidung, Solaranlagen auf dem eigenen Dach, Wärmewende, Versickerung, Hochwasserschutz etc. aufklärt und zu einer klimafreundlicheren Lebensweise motiviert.

 

8. Selbstverständnis der Städte im Klimaschutz

Wuppertal kann als Stadt offensiver Akteur für mehr Klimaschutz, für die Klimafolgeanpassung und die Energiewende sein. Dieses Selbstverständnis muss in allem kommunalen Handeln verankert werden. Der Oberbürgermeister wird aufgefordert, sich auf Landes- und Bundesebene dafür einzusetzen, dass Klimaschutz und Klimafolgenanpassung als kommunale Pflichtaufgabe definiert werden.

 

9. Interkommunale Zusammenarbeit

Die Zusammenarbeit der Städte und Kreise im Bergischen Land muss auf Grundlage der Bergischen Erklärung zur Erreichung einer „100 % Erneuerbare Energie Region Bergisches Land“   intensiviert werden.

 

10. Finanzierung

Die Kosten der in Betracht kommenden Maßnahmen werden ermittelt, es ist von einer deutlich höheren Refinanzierung durch Bund und Land auszugehen, als das bisher der Fall war.

 

 

Begründung:

Einen schlimmeren Weckruf, als durch die Unwetterkatastrophe Mitte Juli in NRW und Rheinland-Pfalz, hätte es kaum geben können. Bereits der Orkan Kyrill 2007, das Starkregenereignis 2018 oder die Hitzesommer der vergangenen Jahre zeigten, dass wir uns mitten im Klimawandel befinden, mit unmittelbar spürbaren Auswirkungen.

Daher muss die Stadt Wuppertal schnellstens alle erdenklichen Maßnahmen für mehr Klimaschutz und für die Klimafolgenanpassung umsetzen.

Dafür werden auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene viele Förderprogramme aufgelegt, von denen die Stadt profitieren kann, wenn entsprechend viele Förderanträge gestellt werden. Kommunen, wie Wuppertal, können den Herausforderungen des Klimawandels nur erfolgreich begegnen, wenn sie dafür entsprechende finanzielle Mittel anwerben. Daher ist die Fördermittelakquise der Schlüssel für den erforderlichen Handlungsspielraum und hat oberste Priorität.

Besonders wichtig ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien, die Umsetzung der Wärme- und Mobilitätswende. Aber auch im Bereich des Bauwesens muss konsequent auf Klimafreundlichkeit gesetzt werden. Dabei geht es auch um die Förderung des kommunalen Handwerks, das durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien enorm profitiert.

Soziale Komponenten, wie der Schutz der Gesundheit von vulnerablen Personengruppen, wie beispielsweise Kleinkinder und Senior*innen, müssen im Rahmen eines Hitzeaktionsplanes und bei der Umgestaltung Wuppertals zur Schwammstadt einen hohen Stellenwert haben.

Nicht nur die Verwaltung muss intensiv an der Klimaneutralität arbeiten, auch Bürgerinnen und Bürger sowie ansässige Unternehmen sind gefragt, sich aktiv am Klimaschutz zu beteiligen. Daher sind eine intensive Öffentlichkeitsarbeit und eine Vorbildfunktion der Stadt unerlässlich. Darüber hinaus sind sich bereits sehr viele Bürger*innen der hohen Bedeutung von intensivem Klimaschutz bewusst und wollen sich im Rahmen eines Klima-Bürger*innen-Rates aktiv an der klimagerechten Entwicklung ihrer Stadt beteiligen.

Die Stadt Wuppertal muss sich und den Bürgerinnen und Bürgern, auch im Sinne ihres Auftrags der Daseinsvorsorge, bewusst machen, welche Verantwortung sie als Kommune bei der Erreichung der Klimaziele trägt, und zügig alle Maßnahmen umsetzen, die in ihrer Macht stehen.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Caroline Lünenschloss           Ludger Kineke                         Yazgülü Zeybek

Paul Yves Ramette                 Klaus Jürgen Reese                Alexander Schmidt

Susanne Herhaus                   Gerd-Peter Zielezinski