Pressemitteilung vom 25.04.2022

36 Jahre nach Tschernobyl: Sicherheitsanforderungen für nukleare Anlagen müssen überprüft werden

Zum morgigen Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe erklärt Stefan Wenzel, Sprecher für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz:

36 Jahre nach dem Super-GAU in Tschernobyl sehen wir, wie in Kriegsgebieten neue Gefahren aus alten Atomanlagen hervorgehen. Der Sarkophag des havarierten Atomkraftwerks in Tschernobyl und 21.000 Brennelemente in Zwischenlagern waren wochenlang in russischer Hand, das AKW Saporischschja – das größte Europas – ist es immer noch. Anlagen verloren vorübergehend die Stromversorgung oder gerieten unter Beschuss. Dabei ist klar: Wenn es aufgrund von Bedienfehlern, einem Kühlmittelverlust oder einem längeren Stromnetzausfall zu einer Unterbrechung der Kühlung kommt, droht ein Unfall.

Europa ist von dieser neuen Bedrohungslage direkt betroffen. Über die Konsequenzen eines Atomunfalles in der Ukraine hinaus, nehmen im Westen seit Monaten auch Cyberangriffe auf kritische Infrastruktur zu. In solch einer Lage bedeutet jeder Atomreaktor eine reale Gefahr. Bei der Risikobewertung von Reaktoren war Frieden bislang immer Prämisse – ab jetzt muss auch mit Einwirkungen gerechnet werden, die militärische Ziele verfolgen. Deshalb ist eine Überprüfung der Sicherheitsanforderungen für nukleare Anlagen in ganz Europa erforderlich.

Wir müssen unsere Abhängigkeit von russischem Uran und russischer Nukleartechnik endlich erkennen und umgehend reduzieren. Es kann nicht sein, dass der Atombereich weiterhin ausdrücklich von den EU-Sanktionen gegen Russland ausgenommen wird und Europa die Kooperation mit Rosatom – einem der wichtigsten und auch militärisch tätigen russischen Konzerne – bewusst fortsetzt. Auch russische AKW-Neubauten in Europa sind eine regelrechte Selbstgefährdung und zementieren einseitige Abhängigkeiten. Gegen Putins Angriffskrieg bedarf es Mut und Zusammenhalt in Europa, auch im Nuklearbereich.